Mit „Monotheist“ meldete sich Celtic Frost 2006 wie aus der Versenkung zurück: Statt sich auf alten Glanztaten auszuruhen und auf Nummer sicher die Retro-Schiene zu bedienen, blieb sich die Band treu und flößte der Black Metal-Szene aus dem Stand neue Impulse ein.
Im Rahmen der „Monotheist“-Veröffentlichung interviewte ich Bassist Martin Eric Ain zweimal: Nach einer Listening Session in der Berliner Passionskirche und ein paar Wochen später in den Räumlichkeiten der Dortmunder Plattenfirma Century Media.
Martin Eric Ain war ein ausgesprochen angenehmer Gesprächspartner, vielleicht sogar der Angenehmste. Leider habe ich die Aufzeichnungen verloren und konnte hier nur auf das veröffentlichte und arg gekürzte Material zurückgreifen.
Convolutum: Nach 16 Jahren faktischer Pause und vier Jahren intensiver Arbeit an der Platte: wie ist jetzt das Gefühl, das Kind laufen zu sehen?
Martin Eric Ain: Es ist ein sehr gutes Gefühl. Man ist natürlich übermannt von solchen Momenten. Wir haben so intensiv daran gearbeitet, uns so intensiv damit auseinandergesetzt. Es war Detailarbeit. Irgendwann bist du fertig. Plötzlich wird man konfrontiert mit der Öffentlichkeit, mit euch, den Journalisten, und dann auch mit dem Publikum, den Leuten, die das hören. Aber es ist jetzt nicht so, dass das ungewohnt wäre, es ist ja nicht das erste Mal.
Convolutum: Mein Eindruck ist, dass das Album viel mit religiösen Konflikten arbeitet: innerlich, aber auch der Kampf zwischen Individuum und der Außenwelt.
Martin Eric Ain: Ich würde es nicht als religiös per se, sondern als spirituellen Konflikt bezeichnen. Individuum und Außenwelt ist sehr gut beobachtet. Das hat aber nicht unbedingt mit dem Ungläubigen und der Religion zu tun, sondern tatsächlich mit einem selbst und der Gesellschaft, in der man lebt. Natürlich, der Titel „Monotheist“ nimmt darauf Bezug und das auch in Anspruch. Darum nicht „Monotheistic“, sondern „Monotheist“. Eine Person, die an einen Gott glaubt. Wir haben es offen gelassen, welcher der eine Gott ist. Das bleibt komplett offen, und dadurch kann das auch jeder auf sich individuell beziehen.
Convolutum: Wie weit ist es eurem neuen Drummer Franco Sesa gelungen, sich einzubringen? Ist er vollwertiges Mitglied?
Martin Eric Ain: Er ist vollwertiges Mitglied. Ohne Franco wären wir nicht hier und „Monotheist“ wäre nicht fertig, ganz einfach.
Convolutum: Auf „Monotheist“ hat ein Rückgriff auf den Hellhammer-Sound stattgefunden…
Martin Eric Ain: Ich glaube, dass dieses Celtic Frost-Album von all unseren Alben am meisten Verwandtschaft zu Hellhammer hat.
Convolutum: Auch zu früheren Schaffensphasen von Celtic Frost gibt es Querverweise: So knüpft das monolithische Ambientmonster „Totengott“ textlich an das „Inner Sanctum“ an, welches uns bereits auf „Into the Pandemonium“ begegnete.
Martin Eric Ain: Philippe Ariès, Historiker und Kulturphilosoph, hat ein Buch namens „Geschichte des Todes“ geschrieben. Das war die Inspiration für „Inner Sanctum“ und jetzt auch wieder für „Totengott“.
Convolutum: „Totengott“ bildet zusammen mit „Synagoga Satanae“ und „Winter (Requiem, Chapter Three: Finale)“ ein musikalisches Tryptikon.
Martin Eric Ain: Die beiden Stücke „Totengott“ und „Winter (Requiem)“ beziehen sich auf den Tod. „Winter (Requiem)“ ist der dritte Teil der Totenmesse, die Tom (Warrior, Sänger und Gitarrist von Celtic Frost, Anm. Convolutum) für sich selber komponiert hat. Der Winter ist das natürliche Verständnis von Tod. Alles, was wird, vergeht, das hat nichts Negatives an sich.
Dagegen spiegelt „Totengott“ das menschliche Verständnis vom Tod als etwas Schlechtes. Eine kulturelle Konstruktion. Was wir sagen ist: Der Tod ist absolut natürlich und etwas Selbstverständliches. „Synagoga Satanae“ hat eine andere Thematik: das Verständnis des Christentums zu seinem Widersacher.
Convolutum: Schon das Plattencover von „Into the Pandemonium“ zierte der Ausschnitt eines Triptychons, „Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch…
Martin Eric Ain: Unsere Arbeitsweise ist sehr assoziativ, wie bei den frühen Surrealisten. Letztendlich ist dies das Spannende an Celtic Frost – das ist die Möglichkeit gibt, sich selbst in das Werk einzubringen.
Convolutum: Wie schon bei „Into the Pandemonium“ zeigt das Cover von „Monotheist“, wenn man so will, wieder eine Landschaft: ein Gesicht.
Martin Eric Ain: Genau! Wenn man einen Menschen kennenlernt, ist der erste Fixpunkt das Gesicht. Wir haben jedoch gesagt: Hinter dem Gesicht steckt immer mehr; das kann man erst kennenlernen, wenn man sich mit dem Menschen dahinter befasst.
Convolutum: So wie das Cover-Artwork neugierig auf die Musik macht…
Martin Eric Ain: Ja, erst wenn du dir das Gesamtwerk, die Digipack-CD oder das fertige Vinyl eines Künstlers ansiehst, verstehst du das Gesamtschaffen.
Convolutum: Ihr habt für eure Musik einen eigenen Verlag gegründet: Diktatur des Kapitals.
Martin Eric Ain: Das ist sarkastisch gemeint. In der ersten Runde unserer Karriere haben wir unsere Verlagsrechte komplett überschrieben. Wir haben nie wirklich Kohle zu sehen gekriegt. Unsere mechanischen Rechte an den alten Alben gehören der jetzigen Plattenfirma Sanctuary, die die Rechte vom Label Noise abgekauft haben, bis 75 Jahre nach unserem Tod. Dieses Mal haben wir exakt den umgekehrten Weg gewählt und alles selbst gemacht. Aber wie wir es auch anpacken, wir sind stets der Diktatur des Kapitals unterworfen.
Convolutum: Tom Warrior hat mal bemängelt, dass der Mensch von Natur aus sehr ängstlich ist und immer das Unbekannte fürchtet. Aber macht das nicht die Faszination von Celtic Frost aus: Dass man nicht weiß, was einen erwartet, eben das Unberechenbare?
Martin Eric Ain: Das ist schön gesagt: Was soll ich sagen? Ich glaube, das stimmt, klingt gut!
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