Beherit: Pubs, Poker und Psylocibin

Im letzten Teil des Interviews geht es inhaltlich in die vollen: Es dreht sich unter anderem um Laihos Besuch bei der Scientology, sein Verhältnis zum organisierten Satanismus und die Frage, was Zahnschmerzen mit dem Albumtitel „Engram“ zu tun haben. 

Bei einer Band wie Beherit, bei der nicht nur in den unterschätzten Ambient-Arbeiten mitunter eine leicht psychedelische Note mitschwingt, ist ein Songtitel wie „Axiom Heroine“ eine nähere Betrachtung wert. „Lyrisch ist es ein Einführungstext über unser Comeback. Die Worte fließen auf verschiedenen Bedeutungs- und Hintergrundebenen, vorsichtig eingebettet in wahrer, primitiver Black Metal-Ästhetik.“ Drogen können, bewusst und vorsichtig konsumiert, neben gefährlichen Nebenwirkungen der Eruierung des eigenen Selbst dienen. Das sieht Laiho in Teilen genauso. „Drogen sind kein Muss, können einen aber dabei helfen das eigene Selbstbewusstsein auf wahrhaft kosmische Art und Weise zu erweitern. Ich rede hier von psychoaktiven Steigerungssubstanzen wie Psylocibin. Die Menschen der modernen Gesellschaften wachsen in Ignoranz auf und reißen sich blindlings tagtäglich von 9 bis 17 Uhr für irgendeinen Firmenscheiß den Arsch auf. Sie haben ihre Spiritualität verloren und die wahre Bedeutung ihrer Existenz. Ich behaupte nicht, dass Drogen gut sind. Aber vielleicht sind sie immer noch besser, als sein gesamtes Leben blind und ignorant zu sein.“ 

Womit wir wieder beim Albumtitel „Engram“ wären. Nicht umsonst referiert der Titel auf einen neuropsychologischen Begriff für einen Einzelbestandteil des Gedächtnisses. „Ich denke, dass der Titel ziemlich gut die Ansammlung der verschiedenen Spuren und Ansätze auf dem Album wiedergibt. Das Album ist wie eine Zeitreise in unsere alten Tage, aber ich dachte dabei nicht an irgendwelche persönlichen Aspekte oder irgendein Manifest. Wir hatten eine ziemlich lange Liste an möglichen Titeln zusammengeschrieben und wir waren bereits ohne Titel im Studio. ‚Engram‘ kam mir freitagnachts, am 12. Dezember 2008, in den Kopf, als ich im Netz in einigen wissenschaftlichen Untersuchungen über den Zusammenhang von Zahn- und Gedächtnisverlust stöberte.“ Ein Zusammenhang mit der scientologischen Nutzung dieses Begriffs im Rahmen ihrer Dianektik-Praxis besteht nicht. „Nein, ich bin mit ihren Konzepten nicht vertraut. Ich besuchte vor ein paar Jahren eines ihrer Zelte, aber sie baten mich recht schnell, ihre Räumlichkeit wieder zu verlassen.“

Ganz anderer Natur ist der Song „All in Satan“. „Es geht um Roboter, in die die Menschheit ihren gesamten Glauben und ihre Hoffnungen steckt. Künstliche Intelligenz, gebaut, um die Elite zu beschützen. Aber die Zeiten ändern sich infolge von Krankheiten und Viren zum Schlechten. Es geht aber auch um die vier Könige des Armageddons, aber im Poker-Terminologie. Nach den Proben gehe ich mit Desekrator immer Bier trinken und dann spielen wir Texas Hold‘em im örtlichen Pub. Desekrator hat seinen ganz eigenen Stil, was das Spielen auf Risiko mit seinem Kapital angeht. Ich schrie ihm ‚All in Satan!‘ zu, was die anderen Spieler am Tisch ziemlich abfuckte. Aber wir sind Beherit, also kommen wir mit Songtiteln wie diesen.“

Geschichte ist der Kontakt zu satanischen Organisationen. Denn während ein Gros der norwegischen Kollegen Anfang der Neunziger auf Distanz zum organisierten Satanismus ging beziehungsweise sich nicht wirklich um ein tieferes Verständnis der schwarzen Kunst bemühte, pflegten Beherit unter anderem Bande zum Order of the Left Hand Path. „Bei Demon Fornification bin ich mir nicht sicher, aber ich habe seit Jahren mit satanischen Organisationen nichts mehr zu tun. Ich denke, dass eigentlich jede Person, deren Geist nicht mehr im natürlichen Zustand ist, satanische Aspekte in seinem Karma ansammelt. Ich bezweifle, wenn jemand behauptet, seit vielen Jahren ein wahrer Satanist zu sein. Ich meine damit die pure, theistische Form, das Zelebrieren von Ritualen und das Beschwören hochfliegender Träume. Die menschliche Psyche würde früher oder später ganz einfach zusammenbrechen und in einer Geisteskrankheit oder einem Suizid enden. Vergleiche einfach die unterschiedlichen Stärken psychischer Kraft bei verschiedenen Menschen: mit jemanden, der den ganzen Tag Steine gegen eine Mauer wirft, um diese zu durchbrechen, während der andere eine Rakete abschießt. Wenn wir Beherit performen, es ist ein real thing. Wer singen nicht über böse Geister, sondern beschwören ihre Präsenz.“

Bezüglich der weiteren Zukunft Beherits abseits der angekündigten Live-Show schweigt sich der Wahl-Thai aus. Nur eines ist sicher: „Ich habe im Moment verschiedene Musikprojekte wie etwa Olde Guarde laufen. Ich bin sehr an balinesischer Musik interessiert und schreibe gerade Material für eine Performance zum Bardo Thodol (tibetisches Totenbuch, Anmerkung Convolutum): ethnische, spirituelle Musik, aber nicht unter dem Banner von Beherit.“

Nachtrag: Ob die zum Schluss angesprochene Bardo Thodol-Performance schlussendlich im „Engram“-Nachfolger „Bardo Exist“ aufging, darüber kann nur spekuliert (oder in einem Folge-Interview gefragt) werden. Über zehn Jahre sollte es bis zu dieser Veröffentlichung dauern. Auch bis zu den angekündigten Konzerten sollte noch geraume Zeit vergehen. Aber egal: Mit „Engram“ meldete sich Beherit 2009 glühend und stark, wie eine Morgensonne, die aus dunklen Bergen kommt, in der Szene zurück.  

Teil 1 des Interviews: über Laihos Rückzug aus der Metalszene, das Comeback und Sellout-Vorwürfe

Teil 2 des Interviews: über das neue Line-Up, Konzerte und Bathory

Ein Original in einer Szene voller Konformisten: Marko Laiho, Copyright: Beherit. 

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